Ethik für alle?

Mai 29, 2023

Europa ist stolz auf seine kulturelle und geistesgeschichtliche Tradition. Die christlich-abendländische Kultur ist ein wesentlicher Teil unserer Identität. Durch Migration besonders in den letzten Jahrzehnten haben sich Selbstverständlichkeiten verschoben, wir alle sind plötzlich mit ganz anderen kulturellen Gegebenheiten konfrontiert. Diese Wahrnehmung bedingt, unsere eigenen Standpunkte zu hinterfragen und Klarheit zu schaffen, wo wir Österreicher hinsichtlich unseres Wertekanons genau stehen.

Alleine in Graz befinden sich an den Pflichtschulen deutlich über 50% Schüler mit anderen Erstsprachen, die Mehrheit davon weist auch eine andere (nichtchristliche) Religion auf. Die interkulturelle und interreligiöse Gegebenheit weist darauf hin, dass ein gemeinsames Reflektieren unserer weltanschaulichen Grundpositionen das Gebot der Stunde ist. Dieses Standortbestimmen über existentielle Fragen des Lebens – wer sind wir, wo kommen wir her, wohin gehen wir, was macht uns aus, was verbindet uns, wie wollen wir leben, welche philosophisch-ethischen-religiösen Erklärungsmodelle gibt es – muss unbedingt gemeinsam mit ALLEN Schülern stattfinden, nicht zuletzt um individuelle Realitäten (kritisch) reflektieren zu können. Es geht darum, verbindliche gemeinsame Reflexionsräume zu schaffen über die Grundfragen des Lebens. Darüber hinaus wirkt gerade religiöse Bildung nachweislich gewaltpräventiv und gehörte daher zu den Grundpfeilern der Allgemeinbildung.

Faktum ist, dass nicht wenige Schüler in ihrer Pflichtschulzeit gar keine religiöse Bildung genießen oder religiöse Bildung gerade in Klassen mit hoher Diversität (das ist die Mehrzahl der Pflichtschulklassen in Graz!) nur in getrennten Gruppen stattfindet und dadurch trennend wirkt.

Ethikunterricht und konfessioneller Religionsunterricht dürfen in keine Polarisierung hineingetrieben werden. Obzwar bereits jetzt kreative Modelle der Interreligiosität bzw. Ökumene gelebt werden und gerade Religionspädagogen wertvolle Mitglieder jedes Lehrkörpers sind, bedarf es trotzdem einer gemeinsamen nicht konfessionellen ethisch-weltanschaulichen Grundbildung.
Die Bedeutung ethischer und religiöser Bildung an Schulen als Bildungs-Grundpfeiler darf daher nicht einer individuellen Befindlichkeit unterliegen und daher marginalisiert werden.

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