Die These: Zu viele Eltern kapitulieren, da sie der virtuellen Welt nicht gewachsen sind.
Ich werde oft gefragt, ob (kompetentes) Elternsein heute überhaupt noch möglich ist. Geht sich das alles noch aus bei diesen ständig steigenden Anforderungen in Gesellschaft, Beruf und Schule? Vor allem die virtuelle Welt mit den sozialen Medien, garniert mit Pornografie und Gewalt ist für viele Erwachsene eine echte Herausforderung. „Ich kann da gar nicht mehr hinsehen, fühle mich überfordert und ausgelaugt“, sagte mir kürzlich eine erfahrene Mutter. „Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es das Handy gibt, sonst wäre mein Kind den ganzen Tag lästig“, sagte mir ein Vater, der beruflich voll ausgelastet ist.
Wie können Erwachsene heute anschlussfähig sein gegenüber ihren Kindern? „Anything goes“: Unsere Kinder haben oft genug Geld zu Verfügung und können so relativ leicht an Zigaretten, Alkohol und auch Drogen herankommen. Vieles ist für Jugendliche heute normal, was für uns ältere aber in der eigenen Jugend außerhalb der Erreichbarkeit lag.
Die magische Anziehungskraft des Handys stellt eine besondere Herausforderung dar: Das ganze Denken dreht sich nur darum möglichst früh ein Handy zu haben. Die virtuelle Welt schafft eine Fülle von Möglichkeiten, die sich den älteren Menschen oft nur schwer erschließt. Ein unlimitierter Netzzugang in der Volksschule ist keine Seltenheit, vielfach wissen Erwachsene darüber gar nicht Bescheid oder haben keine Kraft, sich gegen das jugendliche Wollen zu stemmen.
Aber was kann in Zeitên unlimitierter Möglichkeiten getan werden? Zunächst: Eltern sind nicht die Freunde ihrer Kinder, sie sind erziehungsberechtigt und – verpflichtet und daher in einer anderen Rolle. „Grenzlosigkeit macht mutlos“, d.h. klare und deutliche Spielregeln sind wichtig, müssen sisyphushaft eingeübt werden. Erwachsene sind keine Gummiwände, die im Zweifelsfall einfach zurückweichen. Präsenz und Auseinandersetzung schafft Beziehungsqualität. Es gilt Hinzusehen und nicht Wegzuschauen. Unsere Kinder dürfen nicht in Parallelwelten abgleiten, auch wenn es für Erwachsene oft schwer ist dahinterzukommen was läuft. Jugendliche benötigen viel Bestärkung, aber nicht darin, dass wir uns z. B. mit täglicher Snapchat – Kommunikation auf dieselbe Ebene begeben.
Die Leitlinie heißt, durch altersgemäße Unterstützung ein sicheres Bindungsverhalten einzuüben. Nicht perfekt sein zu wollen, sondern „good enough“. Erziehung durch Beziehung ist aber auch mit Anstrengung und Mühe verbunden – der „Return on investment“ kommt später.